v3a4 IV Skala beim Canyoning
28. März 2020
Uns erreichen oft Anfragen, auf welche Weise Canyoningtouren eigentlich bezüglich der
Schwierigkeit bewertet werden. Viele Veranstalter professionell geführter
Touren klassifizieren Ihre angebotenen Schluchten einfach nach Einsteiger, Fotgeschritten und
Profis. Oder mit Level 1, Level 2 und Level 3. Das schafft für den Kunden einen ersten
Überblick, aber leider keine Vergleichbarkeit. Was für den einen Guide als
anfängergeeignet gelten mag, ist für den nächsten vielleicht schon Expertenniveau.
Weiterhin spielen auch viele weitere Faktoren eine große Rolle, zum Beispiel die
Größe der Gruppe, deren Schnelligkeit und die Anzahl der Guides.
Es galt also eine möglichst international gültige Richtlinie bzw. Skala
zu entwerfen, die eine weltweite Vergleichbarkeit beim Canyoning erlaubt.
In den letzten Jahren haben sich mehrere Organisationen damit beschäftigt, Canyoningguides
auszubilden und Standards zu setzen. Dabei hat sich mehr oder weniger ohne Absprache ein
Bewertungsschema etabliert, dass tatsächlich eine sehr breite Anwendung findet und in welches
sich Canyons vergleichbar einordnen lassen. Dieses Schema wird unter anderem auch von
Versicherungen verwendet, die das Canyoning nur in nierdigen Schwierigkeitsgraden versichern.
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Dieses Bewertungsschema möchten wir Ihnen auf dieser Seite gerne vorstellen
und zum Downlaod anbieten.
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Michael - Canyoningguide
Schwierigkeitsbewertung von Schluchten die für das Canyoning genutzt werden.
1. Gültigkeit
Die Bewertungsskala basiert auf folgenden Voraussetzungen:
1.1. Normaler, niedriger Wasserstand *¹
1.2. Optimale Verhältnisse, beste Jahreszeit
1.3. Gruppengröße 5 Personen
1.4. Alle Teilnehmer sind den technischen Schwierigkeiten eines unbekannten Canyons gewachsen.
1.5. Es wird stets die beste und sicherste Fortbewegung zur Überwindung der Hindernisse gewählt.*²
1.6. Ein individuelles Suchen von Schwierigkeiten findet nicht statt. *³
2. Bewertungssystematik
Die Canyons werden nach folgendem Schema bewertet :
2.1. Die Vertikalität wird beschrieben durch den Buchstaben v, gefolgt
von einer Ziffer zwischen 1 und 7, hierbei ist die Skala nach oben offen.
2.2. Die Aquatik wird beschrieben durch den Buchstaben a, gefolgt von einer
Ziffer zwischen 1 und 7, hierbei ist die Skala nach oben offen.
2.3. Das Gesamtrisiko, welches insbesondere von der Erreichbarkeit von hochwassergeschützten
Stellen und Notausstiegen sowie der Gesamtbegehungsdauer beeinflusst wird, wird durch eine
römische Ziffer zwischen I und VI gekennzeichnet. Auch hier ist die Skala nach oben offen.
2.4. Beispiele wären also : v2a2 III oder v3a4 II oder v5a4 V
3. Schwierigkeitstabelle Vertikalität
Schwierigkeit |
Beschreibung |
v1 |
Keine Abseilstellen während der Tour, Normalerweise wird kein Seil benötigt.
Es gibt keine Kletterstellen
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v2 |
Einfache Abseilstellen, die leicht zugänglich sind bis maximal 10 Metern Höhe.
Einfache Kletterstellen, welche nicht ausgesetzt sind.
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v3 |
Geringer Wasserlauf in den vertikalen Abschnitten.
Einfache Abseilstellen bis maximal 30 Meter, diese sind leicht zugänglich und voneinander
unabhängig.
Die Standplätze sind für Gruppen geeignet.
Einfache Seilgeländer können notwendig sein.
Das Abseilen kann technische Elemente enthalten (gute Tritttechnik, korrekte Routenwahl
in rutschigem, instabilen oder holprigen Gelände / abseilen direkt im Wasserlauf).
Nicht ausgesetzte Kletterstellen bis zur Schwierigkeit französisch 3c, ein Seil
kann dazu erforderlich sein.
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v4 |
Abseilstellen mit geringem oder mittleren Wasserlauf, der Druck kann Probleme beim
Gleichgewicht oder bei blockiertem Seil bedeuten.
Abseilstellen auch über 30 Meter, teilweise schwieriger Zugang.
Abseilen mit bequemen Zwischenständen.
Techniken zur Verminderung von Seilreibung können notwendig sein.
Anspruchsvolle Seilgeländer können notwendig sein.
Die Abseilstrecke oder die Ankunftsstelle ist vom Standplatz nicht ersichtlich,
die Ankunft kann in einem tiefen Wasserbecken liegen.
Kletterstellen bis zur Schwierigkeit französisch 4c oder A0, diese sind ausgesetzt
und / oder eine Absicherung durch Seil ist notwendig.
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v5 |
Abseilstellen mit mittlerem bis starkem Wasserlauf, deren Überwindung schwierig
sein kann.
Absolute Gleichgewichtsbeherrschung und ein korrektes Abschätzen der Abseilbahn sind
erforderlich.
Ausgesetzte Zwischenstände können vorkommen.
Während des Abseilens müssen Wasserbecken überwunden werden.
Die Abseilfläche kann rutschig sein und während des Abseilens müssen eventuell
Hindernisse überwunden werden.
Schwieriges Abziehen des Seils, zum Beispiel aus einer Schwimmposition.
Ausgesetzte Kletterstellen bis zur Schwierigkeit französisch 5c oder A1.
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v6 |
Abseilstellen mit starkem oder sehr starkem Wasserlauf.
Lange Wasserfälle.
Schwierige Überwindung der Abseilstelle.
Absolute Gleichgewichtsbeherrschung und ein korrektes Abschätzen der Abseilbahn sind erforderlich.
Es können schwierige Standplätze vorkommen, deren Verwendung heikel ist (Klemmblöcke,
weit zurückliegende Bäume).
Schwer zugängliche Abseilstellen erfordern komplizierte Seilgeländer.
Ausgesetzte Kletterstellen bis zur Schwierigkeit französisch 6a oder A2.
Die Abseilfläche kann sehr rutschig oder sehr instabil sein.
Manche Ankunftsbecken sind sehr turbulent.
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v7 |
Abseilstellen mit sehr hohem oder extremen Wasserlauf.
Sehr lange Wasserfälle.
Abseilstellen sind sehr schwer zu überwinden.
Ein exaktes Einschätzen der Abseilbahn ist ebenso unbedingt erforderlich
wie perfektes Seilhandling und eine absolute Gleichgewichtsbeherrschung.
Ausgesetzte Kletterstellen schwieriger als französisch 6a oder A2.
Stark eingeschränkte Sichtweise und viele Hindernisse während des Abseilens.
Äußerst turbulente Wasserbecken während des Abseilens oder bei Ankunft.
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Es reicht die Erfüllung eines der unter Beschreibung genannten Kriterien für die Einstufung
in die entsprechende Kategorie aus. Eine obligatorische Kletterstelle im Grad 4c in einem
Canyon ohne Abseilstellen bedeutet eine Einstufung in der Schwierigkeit v4!
4. Schwierigkeitstabelle Aquatik
Schwierigkeit |
Beschreibung |
a1 |
Kein oder nur sehr wenig Wasser.
Gehen in ruhigem Wasser..
Schwimmstrecken sind fakultativ.
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a2 |
Schwimmstrecken in ruhigem Wasser bis maximal 10 Meter Länge.
Einfache Sprünge bis maximal 3 Metern Höhe.
Kurze Rutschen mit leichter Neigung.
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a3 |
Schwimmstrecken in ruhigem Wasser bis maximal 30 Meter Länge.
Abstieg in geringem Wasserlauf.
Einfache Sprünge bis maximal 5 Metern Höhe.
Lange Rutschen mit mittlerer Neigung.
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a4 |
Lang anhaltender Aufenthalt im Wasser mit hohem Kalorienverlust.
Abstieg in mittlerem Wasserlauf.
Einfache Sprünge bis maximal 8 Metern Höhe.
Komplizierte Sprünge mit Schwierigkeiten beim Absprung oder bei der Landung
bis 5 Metern Höhe.
Weite Siphone bis zu einer Länge von 1 Meter und / oder einer Tiefe von 1 Meter.
Sehr lange Rutschen mit starker Neigung.
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a5 |
Lang anhaltender Aufenthalt im Wasser mit sehr hohem Kalorienverlust.
Abstieg in ziemlich starkem Wasserlauf.
Eventuell Probleme beim Reinschwimmen in oder Rausschwimmen aus starker Strömung.
Eventuell Probleme beim Überwinden von Prallwasser.
Wildwasserprobleme, die das Blockieren eines Begehers verursachen,
können auftreten (Walzen, Strudel, Wellen, Wirbel, Gegenströmungen).
Einfache Sprünge bis maximal 10 Metern Höhe.
Komplizierte Sprünge mit Schwierigkeiten beim Absprung oder bei der Landung bis 8
Metern Höhe.
Weite Siphone bis zu einer Länge von 2 Metern und / oder einer Tiefe von 2 Metern.
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a6 |
Abstieg in starkem Wasserlauf mit großen Schwierigkeiten beim Reinschwimmen in
oder Rausschwimmen aus starker Strömung.
Eventuell große Schwierigkeiten beim Überwinden von Prallwasser.
Ausgeprägte Wildwasserprobleme, die das längere Blockieren eines
Begehers verursachen, können auftreten (Walzen, Strudel, Wellen, Wirbel,
Gegenströmungen).
Einfache Sprünge bis maximal 14 Metern Höhe.
Komplizierte Sprünge mit Schwierigkeiten beim Absprung oder bei der
Landung bis 10 Metern Höhe.
Weite Siphone bis zu einer Länge von 3 Metern und / oder einer Tiefe von 3 Metern.
Technisch anspruchsvolle Siphone bis zu einer Länge von 1 Meter und / oder
einer Tiefe von 1 Meter mit eventueller Strömung.
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a7 |
Abstieg in starkem Wasserlauf mit extremen Schwierigkeiten beim Reinschwimmen in
oder Rausschwimmen aus starker Strömung.
Eventuell extreme Schwierigkeiten beim Überwinden von Prallwasser.
Sehr ausgeprägte Wildwasserprobleme, die das längere Blockieren eines Begehers
verursachen, können auftreten (Walzen, Strudel, Wellen, Wirbel, Gegenströmungen).
Einfache Sprünge bis maximal 14 Metern Höhe.
Komplizierte Sprünge mit Schwierigkeiten beim Absprung oder bei der Landung bis
10 Metern Höhe.
Weite Siphone über einer Länge von 3 Metern und / oder über einer Tiefe von 3 Metern.
Technisch anspruchsvolle Siphone bis zu einer Länge von 1 Meter und / oder einer Tiefe
von 1 Meter mit Strömung.
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Es reicht die Erfüllung eines der unter Beschreibung genannten Kriterien für die Einstufung
in die entsprechende Kategorie aus. Ein obligatorischer Siphon von 1 Meter Länge in einem sonst
trockenen Canyon bedeutet eine Einstufung in der Schwierigkeit a4!
Sprünge sind grundsätzlich als fakultativ zu betrachten.
5. Tabelle Gesamtrisiko
Schwierigkeit |
Beschreibung |
I |
Eine hochwassergeschützte Stelle ist jederzeit einfach zu erreichen.
Ein Notausstieg ist auf der gesamten Länge der Schlucht einfach zu erreichen.
Die Gesamtdauer (Zustieg, Abstieg und Rückweg) beträgt maximal 2 Stunden.
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II |
Eine hochwassergeschützte Stelle ist in 15 Minuten im Abstieg zu erreichen.
Ein Notausstieg ist innerhalb von 30 Minuten im Abstieg zu erreichen.
Die Gesamtdauer (Zustieg, Abstieg und Rückweg) beträgt zwischen 2 und 4 Stunden.
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III |
Eine hochwassergeschützte Stelle ist in 30 Minuten im Abstieg zu erreichen.
Ein Notausstieg ist innerhalb von 60 Minuten im Abstieg zu erreichen.
Die Gesamtdauer (Zustieg, Abstieg und Rückweg) beträgt zwischen 4 und 8 Stunden.
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IV |
Eine hochwassergeschützte Stelle ist in 60 Minuten im Abstieg zu erreichen.
Ein Notausstieg ist innerhalb von 120 Minuten im Abstieg zu erreichen.
Die Gesamtdauer (Zustieg, Abstieg und Rückweg) beträgt zwischen 8 Stunden und einem ganzen Tag.
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V |
Eine hochwassergeschützte Stelle ist in 2 Stunden im Abstieg zu erreichen.
Ein Notausstieg ist innerhalb von 4 Stunden im Abstieg zu erreichen.
Die Gesamtdauer (Zustieg, Abstieg und Rückweg) beträgt zwischen einem und zwei Tagen.
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VI |
Eine hochwassergeschützte Stelle ist erst nach mehr als 2 Stunden im Abstieg zu erreichen.
Ein Notausstieg ist erst nach mehr als 4 Stunden im Abstieg zu erreichen.
Die Gesamtdauer (Zustieg, Abstieg und Rückweg) beträgt mehr als zwei Tage.
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6. Anpassung aufgrund von Naturereignissen
Eine einmal vorgenommene Klassifizierung kann sich aufgrund von Naturereignissen wie
Steinschlag, Erdrutsch, Holzschlag oder Hochwasserereignissen dauerhaft ändern.
Ebenso kann dies durch künstliche Eingriffe wie Sprengungen in der Umgebung oder
Spülungen von oberhalb liegenden Stauwerken geschehen. Eine regelmäßige
Beobachtung ist daher eine wichtige Voraussetzung für eine korrekte Einstufung.
Insbesondere nach oben genannten Ereignissen und nach der Saisonpause sind Canyoningtouren
oftmals zwingend neu zu bewerten.
7. Fußnoten
*¹ Dies setzt unter anderem voraus, dass es längere Zeit nicht geregnet hat und eventuell im
Oberlauf befindliche Wasserablässe aus Stauseen oder ähnlichem verlässlich geschlossen
bleiben. Wasserfassungen, an denen im Oberlauf Wasser abgezapft wird, müssen verlässlich geöffnet
bleiben. Insbesondere ist die Zeit der Schneeschmelze zu vermeiden.
*² Zum Beispiel: Es wird der Abseilverlauf außerhalb des Wasserstrahls gewählt, wenn mehrere
ansonsten gleichwertige Möglichkeiten bestehen. Es wird abgeklettert statt gesprungen, wenn dies
auf sicherem Wege möglich ist. Bei einer verpflichtenden Sprungstelle wird derjenige Absprung
gewählt, der das niedrigste Risiko darstellt.
*³ Keiner der Teilnehmer wählt eine andere Fortbewegungsart als unter 1.6. genannt.
Ich hoffe, dass wir vom Casa Vento in Madeira mit
diesen Ausführungen ein wenig Licht in das Dickicht aus den verschiedenen inoffiziellen
Bewertungsschemata von Canyoningtouren gebracht haben.
Wir freuen uns, wenn Sie diese Seite teilen.
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Viel Spaß beim Canyoning, egal ob in Madeira oder woanders auf der Welt!
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Michael - Madeira